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Panamakanal

Der Wecker klingelt um drei Uhr morgens. Mist, gerade bin ich eingeschlafen. Vor lauter Aufregung lag ich bis nach Mitternacht wach. Wir quälen uns aus den Kojen, René quasselt, ich grummle, Rebecca lechzt nach Kaffee. Schon in wenigen Minuten taucht die Crew am Steg auf. Ester, Niklas und Alex von der Segelyacht SOVMORGON haben als zusätzliche Linehandler bei uns angeheuert und werden uns helfen ALOY sicher durch den Kanal zu bringen.

in aller Früh

ALOY liegt bereits am Kopfsteg beim Marinaausgang vertäut. Weil seit gestern Morgen grosse Fetzen Sargassum-Algen in die Marina getrieben werden, mussten wir das Boot frühzeitig verlegen. Ist der Algenteppich erstmal richtig dick, gibt es für uns kein Durchkommen mehr. Die Kühlwasserleitung unseres Motors verstopfte jedenfalls bereits auf den wenigen Metern, die wir beim Verlegen durch das Grünzeug zurücklegen mussten. Neue Arbeit für Bootsmechaniker René, die er noch vor dem Schlafengehen erledigen musste.

Sargassum | Sargassoteppich

Um 3:30 Uhr morgens tuckern wir Sargassumbefreit zum Ankerfeld, wo wir auf die Ankunft des Advisors warten. Der Anker krallt sich in schwerem Matsch fest, Rebi kocht Kaffee und wir schneiden Obst für ein erstes leichtes Frühstück auf. Ester wirft sich auf eine Koje und schlummert trotz heftigem Geschaukel in der Bucht ein. Wir warten. Und warten.

Ob wir hier richtig sind? Da wir uns die Kosten für einen Agenten gespart haben, sind wir plötzlich verunsichert. Vielleicht fehlt uns eine entscheidende Information. Für rund 400 Dollar zusätzlich kann man sich die Kanalpassage von einem Agenten buchen lassen. Bis jetzt ging es allerdings auch ohne, denn das Online-Formular ist selbsterklärend und alle weiteren Informationen konnten wir aus dem Internet und durch den Austausch in den Cruising-Chat-Gruppen zusammentragen. Auch die Kanalbehörde Autoridad del Canal de Panamá erteilt freundlich Auskunft, wenn man sie anruft.

 

Das Lotsenboot taucht kurz vor fünf Uhr auf. Es braucht mehrere Anläufe, um Advisor Laurence bei dem vorherrschenden Seegang sicher auf ALOY abzusetzen. Sobald er an Bord ist, ziehen wir den Anker aus dem Matsch und fahren im Eiltempo Richtung Kanal. René übernimmt für heute das Ruder, da er eine Mütze mehr geschlafen hat als ich.

Vorbereitungen für die Kanaldurchfahrt

Um als Yacht durch den Panamakanal zu fahren, muss man sich zunächst online registrieren. Es werden präzise Massangaben vom Boot erwartet, weshalb wir ALOY mit Hilfe einer langen Leine vom Masttopp bis zum Kiel und von der Spitze des Bugkorbs bis zum achterlichen Ende der Windsteueranlage nachgemessen haben. Die bildlich dargestellten Massangaben werden anschliessend von der Kanalbehörde abgesegnet. Weshalb von den Yachten zentimetergenaue Angaben verlangt werden, begreifen wir nicht wirklich. Immerhin sind wir zuversichtlich, dass ALOY in eine Frachtschiffschleuse passt. Es ist wohl einfach das Standardprozedere für alle Schiffe.

Im nächsten Schritt gilt es, die Durchfahrt zu bezahlen. Im März 2025 beträgt der Preis für eine Schiff unter 19.8 Metern Länge mit samt Gebühren 2'915 $ (Das Land Panama hat den US-Dollar als Währung). Hinzu kommt ein Depot von weiteren 1’060 $, die zurückerstattet werden, wenn es bei der Durchfahrt zu keinen von uns verursachten Problemen kommt. Die Kosten sind ein ziemlicher Brocken für uns, denn von dreitausend Dollar (oder Franken) leben und reisen wir beide in der Regel einen ganzen Monat.

Sobald das Geld auf dem Bankkonto der Kanalbehörden eingetroffen ist, können wir telefonisch den Termin buchen. Wichtig dabei ist, dass man, zumindest auf dem Formular, schon vor Ort sein muss, wenn man anruft. Kontrolliert wird das offenbar nicht, denn wir waren (inoffiziell) in Guna Yala, wo es sich viel angenehmer auf den Termin warten liess.

Schliesslich gilt es noch, Ausrüstung und Besatzung für den grossen Tag zu organisieren. Der Advisor wird vom Panamakanal direkt gestellt. Er gibt Anweisungen, wie wir im Kanal zu fahren und uns zu verhalten haben. Zusätzlich zum Advisor braucht jede Yacht eine Steuerperson und vier Linehandler. Wir haben sogar fünf Linehandler dabei, weil Alex noch bei Ester und Niklas zu Besuch ist und alle drei mitkommen wollen. Die benötigten Leinen und zusätzliche Fender können wir beim Agenten Stanley für 150 $ mieten, der das Material reichlich kurzfristig, aber zuverlässig, am Vorabend der Passage gegen acht Uhr vorbeibringt.

Advisor Laurence | Linehandler-Crew: Rebecca, Alex, Ester, Niklas, Illy und René (von links) | Leinen und Fender liegen bereit, (Fotos von Rebecca und Niklas)

Vom Atlantik zum Gatun See

Ausgerüstet und mit kaffeegestärkter Besatzung erreichen wir die erste Schleuse, das Gatun Lock. Vor dem Tor werden wir angewiesen ALOY mit einer anderen Segelyacht zu einem «Päckli» zu vertäuen. Fortan müssen die beiden Steuermänner abgestimmt aufeinander Gas geben und koordiniert Ruder legen. Vorsichtig tuckern wir zwischen die Schleusenwände, vor uns liegt bereits das hochaufragende japanische Frachtschiff Cronus Leader in der Schleusenkammer.

Verbinden zweier Yachten | in der Gatun Schleuse | Gebäude des Kanals, (Fotos von Rebecca und Niklas)

Von hoch oben kommen vier Leinen mit Affenfäusten (ballartigen Knoten) geflogen. Wir fangen die Leinen auf, was überraschend einfach ist, und verbinden die Enden mit den robusten gemieteten Leinen. Die Kanalmitarbeitenden an Land ziehen die Leinen zu sich hoch und fixieren sie auf dicken Pollern. Wir ziehen die anderen Enden um unsere Klampen und halten sie fest. Das Packet aus zwei Yachten wird auf diese Weise insgesamt auf allen vier Ecken mit den Kanalwänden verbunden.

 

Alex mit der Affenfaust | Leine wird hochgezogen und über den Poller gelegt

Nachdem das Tor hinter uns geschlossen ist, steigt das Wasser in der Schleuse an und wir versuchen die Leinen regelmässig dicht zu ziehen, um die Yachten in der Mitte des Kanals zu halten. Das Nachziehen der sterrigen Taue ist anstrengend. Nach der ersten Kammer fahren wir ein paar hundert Meter vor in die Zweite, wo das Seilziehen weitergeht, schliesslich folgt eine Dritte.

Zwei Yachten als Päckli in der Schleuse | Alex hält die Leine fest

Frachtschiff und Yachten werden nicht gleichzeitig bewegt. Wir warten immer erst, bis das Frachtschiff in der nächsten Schleuse fixiert liegt und haben die Leinen derweil fest belegt. Es gibt starke Verwirbelungen im Wasser, wenn das Grossschiff seine Motoren bedient. Im Gegensatz zu uns, wird das schwere Gefährt nicht von Hand, sondern mit Treidellokomotiven in der Schleusenmitte gehalten, die über dicke Stahlseile mit dem Frachter verbunden sind.

 

Wirbel hinter dem Frachter | Frachter wird von Treidellokomotiven gehalten | Treidellokomotive

Nach drei Stufen haben wir den 26 Meter über Meeresniveau gelegenen Gatun See erreicht, der Stausee, in dem die zig Millionen Liter Wasser für den Betrieb des Kanals bereitgehalten werden. Wir lösen uns von der anderen Yacht. Die nächsten dreieinhalb Stunden muss René mit Vollgas Richtung Süden dampfen und fordert dabei ALOYs Motor heraus. Derweil verköstigen wir die ganze Besatzung mit einem sättigenden Frühstück aus selbstgebackenem Brot, Rührei, Speck und Wassermelone.

 

Gatun Lake | Zeit fürs Frühstück

Vom Gatun See in den Pazifik

Endlich erreichen wir die Pedro Miguel Schleuse, gerade noch rechtzeitig, dass wir heute noch rein dürfen. Unsere Partneryacht wartet bereits, ebenso das Frachtschiff Cronus Leader. Wir «päckeln» und fahren in die Kammer. Gemäss Adivsor Laurence ist jetzt auch die geeignete Zeit fürs Mittagessen. Während Ester und ich die Vorleinen klarieren und Niklas mit Alex die Achterleine dichtzieht, steigt Rebecca in die brütende Kombüse direkt neben dem seit Stunden röhrenden Motor und bringt Spaghettiwasser zum Sieden. Die Bolognese nach dem Rezept ihrer Nonna hat sie am Vortag vorgekocht. Vielen lieben Dank, Rebi! Abwechselnd futtern wir leckere Spaghetti und kümmern uns um die Leinen, während wir von der Pedro Miguel in die Miraflores Schleuse wechseln. Insgesamt geht es über drei Stufen hinunter auf Meereslevel.

 

Miraflores Schleuse |Illy hält die Leine auf Zug | Leine einholen

Um 15:10 Uhr öffnet sich das letzte Schleusentor des Panamakanals und entlässt ALOY in den Pazifik. Es ist ein aufregender Moment, den wir mit vielen Fotos und Videos festhalten und mit einem kleinen Feiertrunk begiessen. Der erste Schluck geht selbstverständlich an den Meeresgott, der uns hoffentlich auch im neuen Ozean gewogen ist.

 

ALOY's Crew blickt über den Schleusenrand in den Pazifik und freut sich

Ein Lotsenboot holt Laurence ab, ein flacher Motorkahn von Agent Stanley sammelt die Fender und Leinen ein und bringt unsere finnischen Linehandler an Land. Sie müssen jetzt noch zwei Stunden mit einem Taxi zurück nach Colon fahren. Wir tuckern weiter, endlich wieder in normalem Tempo, bis wir den Ankerplatz vor Panama City erreichen. Todmüde essen wir die übriggebliebenen Spaghetti und schlüpfen in die Kojen.

 

Panama City am Horizont

Video: ALOY in der Miraflores Schleuse

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