Der Ostpassat macht Pause und wir bleiben vorerst auf Guadeloupe. Wieder in der Marina stehen selbstverständlich Wartungsarbeiten an. René kümmert sich um den Motorenservice, die Maschine bereitet uns in letzter Zeit Sorgen. Wenn wir sie anlassen, startet sie tadellos und brummelt auch munter weite Distanzen. Das Problem ist: einmal ausgeschaltet, springt das Ding nicht wieder an bis es vollständig abgekühlt ist. Was mag das bloss sein?
Die Genua kann abgeholt werden. Rechts: Ein rostiger Schäkel am Anker wird ausgetauscht.
Auch der Genua merkt man die zurückgelegten 5000 Seemeilen an, so dass sie im Atelier von North Sails repariert werden muss, was überraschend schnell geht. Geduld und Nerven kostet die Beschaffung einer neuen Kreditkarte. Seit Wochen versuchen wir den Versand nach Guadeloupe aufzugleisen und scheitern. Ein vierzigminütiger Anruf, bei dem ich per WhatsApp mit Mama und Mama gleichzeitig per Festnetz mit der Bank telefoniert, bringt endlich den entscheidenden Durchbruch. In einer Woche soll die Karte in Point-à-Pitre ankommen.
Wir machen uns derweil auf den Weg in den Westen der Insel, wo wir Tauchen wollen. René war bereits in Spanien und auf den Kanaren einige Male unter Wasser. Seit Martinique begleite ich ihn auf die Tauchgänge. Wir erkundeten Seegraswiesen mit riesigen Seesternen und fischreiche Korallenriffe. Unser nächstes Ziel ist das 2003 versenkte Leuchtfeuerschiff Austin Frèsnel, wo wir nicht zum ersten Mal einen der hier invasiven Rotfeuerfische (ursprünglich aus dem Indischen Ozean) antreffen. Weitere Tauchgänge fallen leider aus, da wir wetterbedingt Schutz suchen müssen.
In einer etwas abgelegenen, von Riffen und vorgelagerten Inseln geschützten Bucht, finden wir das ideale Plätzchen. Eine Woche liegen wir fast für uns allein und ruhig wie im Ententeich. Wind von Süden, stört uns nicht. Stürmische Regenböen aus Norden, der Anker hält, die Wellen bleiben klein.
Sonnen- und Regenwetter in der Baie-Mahault.
Mahot ist eine Mangrovenart, die hier in der Ufervegetation vorkommt und nach der die angrenzende Stadt benannt ist: Baie Mahoult. Das Gewerbezentrum von Guadeloupe grüsst mit dem Slogen "Terre d'Amour". Warum wohl, fragen wir uns, als wir das ersten Mal durch die geisterhaft stillen, idyllefreien Wohnquartiere schlendern. Baie Mahault hat nichts von dem idyllischen Touristenputz anderer Orte auf Guadeloupe. Als Weisse erregen wir hier Aufmerksamkeit. Die Mitglieder einer Motorradgang schauen uns nach, ein Bettler wankt zu uns über die Strasse.
Immer wieder neu ankommen, das fordert diese Reise von uns. Wir müssen uns an jedem Ort erst einmal orientieren: wo können und dürfen wir anlegen, wo gibt es Versorgung- und Entsorgungsmöglichkeiten, wo ist die Bushaltestelle und wo fährt der Bus tatsächlich... und wann? Mehrmals fahren wir von hier aus ins angrenzende Point-à-Pitre, unter anderem um dort die Kreditkarte abzuholen.
Das Museum thematisiert auch verschiedene Formen der heutigen Sklaverei und stellt zeitgenössiche Werke aus. Rechts eine Spirale aus Gefässen, unter anderem traditionelle kwi-Gefässe. Die Installation stammt von Guy Gabon, einer Künstlerin aus Guadeloupe.
Bei einer Gelegenheit besuchen wir das Schoelcher-Museum. Victor Schoelcher ist für die französischen Antillen eine wichtige historische Persönlichkeit. Er hatte sich über viele Jahre für die Abschaffung der Sklaverei in den französischen Kolonien eingestezt, die erst 1848 mit dem Décret d'abolition d'esclavage umgesetzt wurde. In der Folge beschafften die Plantagebetreiber billige "legale" Arbeitskräfte aus Afrika, da die ehemaligen Sklaven nicht mehr für sie arbeiten wollten. Rund 90% der Bevölkerung Guadeloups hat Wurzeln in Africa.
Der Ostpassat meldet sich zurück. Zum Ausklarieren wollen wir nach Deshaies, ein malerisches Touristennest im Westen. Dort angekommen ist das Amt "ausserordentlich" geschlossen. Mist! Das passiert uns schon zum zweiten Mal auf den französischen Antillen. Wohl oder übel verschieben wir die Weiterfahrt. Zum Trost besuchen wir den viel gelobten botanischen Garten. Wo es neben einheimischen und exotischen Pflanzen auch Vögel gibt. Die absoluten Stars sind zutrauliche, australische Loris und leuchtend roten Kois, die von Kindern reichlich gefüttert werden.
Zierbanane, Porzellan-Rose, Bombax mit Vogelbesuch, Loris, Koi im Botanischen Garten von Deshaies.
Auf dem Heimweg nach Baie Mahault bleiben wir stecken, weil der Bus entgegen unserer Fahrplaninterpretation doch nicht fährt. Nur einen Tag später, nach dem Ausklarieren in Point-à-Pitre, passiert uns das erneut. Beide Male beobachten dies Einheimische, sprechen uns an und fahren uns dann mit ihren Privatautos zur Bucht. Beim Sonntagsspaziergang in der Bucht laden uns Leute spontan zu sich auf ein Bier ein. Das machen sie jeden Sonntag, erzählen sie, da sein und Passanten einladen. Vielleicht heisst der Ort ja wegen seiner freundlichen Bewohner:innen Terre d'Amour.