Vier Meter hoch rollt die Welle auf mich zu. Sie hebt ALOY auf ihren Kamm und ich kann im Osten die Cies-Inseln und das spanische Festland sehen. Eine Decke aus weissem Dunst zieht von Süden herauf. Im Westen leuchtet der endlose Ozean in der unschuldigen Nachmittagssonne. Dann lässt die See ALOY in einem Tal versinken und ringsum ist nichts als Wasser. Ich bin allein an Deck. René liegt seit fünf Stunden zusammengekauert auf dem Kajütenboden, direkt vor dem Klo, und übergibt sich im 40-Minuten-Rhythums. Er ist schon wieder seekrank.
Jetzt habe ich die Chance, sein Leiden abzukürzen und durch die Einfahrt nördlich von Cies in den Ria Vigo zu segeln. In einer Stunde kämen wir in ruhiges Wasser, aber dafür muss ich auf Vorwindkurs wechseln. Das Grosssegel muss runter. Mist! Das hiesse für mich aufs Vordeck und das Segel bergen. Allein! Misstrauisch beäuge ich das Meer.
Cap Fisterre, Strände vor Portosin, Ebbe in Noia.
Dabei sah es so gut aus: Bei bestem Segelwetter rundeten wir Mitte September das Cap Fisterra. René sass singend im Cockpit und trimmte die Segel, sodass wir mit optimaler Höhe und Geschwindigkeit in den Ria Muros einliefen. Dort verbrachten wir eine Woche und wetterten zwei durchziehende Tiefdruckgebiete ab. Als mir am Abend vor unserem nächsten Törn übel wurde, weil ich im schaukeligen Schiff am Computer arbeitete, kochte René gut gelaunt das Abendessen. Dann brachen wir auf und kaum erreichten wir offenes Gewässer, hatte es ihn wieder...
ALOY von ALEA aus fotografiert. Foto von Iris.
'Na gut - Mädel! Andere haben das auch schon geschafft.' Langsam ändere ich den Kurs des Autopiloten so, dass ALOY in den Wind steuert. Die Wellen kommen nun direkt von vorne und erscheinen mir noch höher. Ich löse das Grossfall, pieke den Sicherheitsgurt ein und klettere rasch nach vorn. Beim Erklimmen der Wellenberge zerre ich am Gross, damit das im Wind schlagende Segel herunter kommt. Während ALOY ins Wellental stürzt, klammere ich mich am Baum fest und warte ab. Es ist ein wenig wie Achterbahn fahren. Als das Segel endlich unten ist, wird es notdürftig festgebunden. Ich stolpere zurück ins Cockpit. Geschafft! So schlimm wars eigentlich gar nicht. Ich bin trotzdem mächtig stolz.
Selbstzufrieden segle ich in den Rio Vigo und geniesse die Herbsstimmung.
Bisher haben wir Stugeron verwendet. Als nächstes probiert René Buscapina.
Aber wie soll es nun weitergehen? Bald wollen wir nach Madeira und dann zu den Kanaren segeln. Das bedeutet mehrere Tage am Stück auf See - ein Martyrium für René und ein erschöpfender Einhandsegeltörn für mich. Wir diskutieren Alternativen, aber René will noch nicht aufgeben. Erstmal kaufen wir andere Medikamente gegen Seekrankheit und probieren sie auf dem Weg nach Portugal aus.